Riehen, 1300 v. Chr. - Ein Dorf aus der Bronzezeit

Riehen-Inzlingerstrasse 51-53, Oktober 2020

Die Archäologische Bodenforschung führt seit April 2020 eine Rettungsgrabung an der Inzlingerstrasse durch.

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Basel, 1300 v. Chr.
Ein Dorf aus der Bronzezeit
Blick auf die aktuelle Ausgrabung. Bis zur Entdeckung der bronzezeitlichen Siedlung im Jahr 2018 waren aus dem Gemeindegebiet von Riehen aus dieser Epoche neben wenigen Einzelfunden von Keramikscherben lediglich zwei Grabhügel mit Bestattungen im Britzigerwald sowie ein Depot mit einem rituell verbogenen Schwert bei der Burgstrasse bekannt. Foto: Adrian Jost.

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In der bronzezeitlichen Kulturschicht wurde eine Bronzenadel gefunden. Es handelt sich um eine knapp 10 cm lange Gewandnadel, der lediglich der vorderste Teil der Nadelspitze fehlt. Foto: Adrian Jost.

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Blick auf die aktuelle Ausgrabung. Bronzezeitliche Häuser waren aus Holz und Lehm gebaut. Diese Bauweise macht es schwierig, solche bronzezeitlichen Siedlungen überhaupt aufzufinden. Einzig schwache Verfärbungen im Boden zeigen mögliche Standorte von Hauspfosten und -wänden an. Ob es sich tatsächlich um Bebauungsspuren handelt, zeigt sich oft erst beim Ausgraben der Schichten. Da die Spuren beim Austrocknen des Bodens verblassen, werden sie mittels Kalkspray markiert. Foto: Adrian Jost.

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Das Beispiel zeigt einen Schnitt durch eine Pfostengrube. Nachdem der Pfosten entfernt worden war, wurde diese Grube mit Geröllen verfüllt. Meist sind solche Pfostengruben aber viel schlechter sichtbar, weil ihre Verfüllung nur aus Erdmaterial besteht, das sich kaum von seiner Umgebung unterscheidet. Foto: Adrian Jost.

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Nebst den Pfostengruben kam auch sogenannter Hüttenlehm zum Vorschein. Dabei handelt es sich um Lehm von Gebäudewänden oder von einer Herdstelle, der durch Hitzeeinwirkung verziegelt ist und deshalb erhalten blieb. Er ist ein Indiz für hier ehemals bestehende Gebäude. Foto: Adrian Jost.

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In den bronzezeitlichen Schichten haben sich nur selten grössere Gefässbruchstücke erhalten, meist handelt es sich um einzelne Scherben. Zu erkennen ist hier der unterste Teil eines Topfes, der unter dem Druck der Erde in einzelne Scherben zerbrochen ist. Foto: Adrian Jost.

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Die Scherben des Topfes nach der Bergung. Foto: Adrian Jost.

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Ein weiteres Vorratsgefäss. Es war ursprünglich bis zu 2/3 in den Boden eingegraben worden. Nach der Aufgabe der Siedlung hat sich das Gefäss mit Sedimenten gefüllt und der Rand ist abgebrochen und ins Innere des Vorratsgefäss gefallen. Sedimentproben sollen klären, was im Gefäss aufbewahrt wurde. Foto: Adrian Jost.

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In der bronzezeitlichen Kulturschicht wurde zudem eine steinerne Pfeilspitze gefunden. Auch in der Bronzezeit wurden weiterhin Geräte aus Stein hergestellt, obwohl die Metallverarbeitung inzwischen praktiziert wurde. Die Silexknollen, aus denen Steinwerkzeuge gehauen wurden, waren meist– wie auch in Riehen – lokal zu finden und damit sicher eine „günstige“ und altbewährte Alternative zur Bronze. Um Bronzeobjekte herzustellen mussten nämlich erst noch Kupfer und Zinn von weither herbeigeschafft werden. Foto: Adrian Jost.

Warum graben wir?

Im Jahr 2018 stiess die Archäologische Bodenforschung auf der Nachbarsparzelle (Haselrain 20–24) unerwartet auf die Reste einer bisher unbekannten Siedlung aus der Bronzezeit (ca. 1300 v. Chr.). Da das 10‘000 m2 grosse Areal der ehemaligen Gehörlosen- und Sprachheilschule in Kürze neu überbaut wird, führt die Archäologische Bodenforschung vorgängig eine Rettungsgrabung durch.

Was erwarten wir?

Wegen der Nähe zur bronzezeitlichen Siedlung auf der Nachbarsparzelle wurden bereits im Mai 2019 auf dem ehemaligen Schulareal archäologische Sondierungen durchgeführt. Dabei kamen in drei Sondierschnitten Scherben bronzezeitlicher Keramik zum Vorschein. Dies bedeutet, dass auch in der aktuellen Ausgrabungsfläche Reste der bronzezeitlichen Siedlung zu erwarten sind. Die Untersuchungen bieten deshalb die Chance, mehr über das Leben der Menschen zu erfahren, die sich hier vor 3300 Jahren niederliessen. Die Fundstelle ist von nationaler Bedeutung, da schweizweit nur wenige Fundorte aus dem Übergang der Mittelbronze- zur Spätbronzezeit bekannt sind.

Der Platz für die Siedlung war bewusst gewählt: Auf der Niederterrasse über der Wiese waren die Bewohnerinnen und Bewohner vor dem Hochwasser der Wiese geschützt; gleichzeitig war der Fluss aber auch als Transportweg zugänglich. Zwei Bäche, die von den Hängen im Osten kamen und heute nicht mehr sichtbar sind, brachten genügend Wasser zur Siedlung. Ausserdem gab es auf den Höhenzügen in unmittelbarer Nähe (etwa der Bischoffhöhe) fruchtbare Lössvorkommen, die sich hervorragend für den Ackerbau eignen. (Löss ist ein während der Eiszeit abgelagertes, feinkörniges und sehr fruchtbares Sediment).

Die Fundstelle am Haselrain zeigt anschaulich, welche Auswirkungen menschliche Tätigkeiten auf die Umwelt hatten. Um Ackerflächen und Weiden zu erhalten, begannen die Menschen hier während der Bronzezeit den Wald grossflächig zu roden. Das führte zu einer massiven Erosion der Lösshänge. In der Folge wurden die Überreste der aufgegebenen, bronzezeitlichen Siedlung im Laufe der Jahrhunderte mit einer 1.40 Meter mächtigen Lössschwemmschicht überdeckt und haben sich darum besonders gut erhalten.

Resultate der Ausgrabung:

An der Inzlingerstrasse in Riehen wurde eine mittel- bis spätbronzezeitliche Landsiedlung ausgegraben. Die bronzezeitliche Kulturschicht war 5 bis 20 cm mächtig und konnte auf einer Fläche von knapp 4000 m² untersucht werden.

Eine erste grobe Durchsicht der Keramikfunde zeigt, dass diese ungefähr von 1600 bis 900 v.Chr. datieren, wobei es sich mehrheitlich um spätbronzezeitliche Scherben handelt. Ob von einer kontinuierlichen Besiedlung von der Mittel- bis zur Spätbronzezeit auszugehen ist, wird erst die vollständige und detailliertere Aufnahme der Keramik aufzeigen.

Zusammen mit der vor zwei Jahren durchgeführten Ausgrabung im benachbarten Areal Haselrain konnte damit erstmals im Kanton Basel-Stadt eine bronzezeitliche Siedlung grossflächig untersucht werden. Dabei liessen sich bei der Grabung an der Inzlingerstrasse zahlreiche Gruben, darunter Pfostengruben und eine Brenngrube, sowie Staketen, Gräbchen und zwei Gräben, Steinrollierungen und mögliche Unterbauten von Feuerstellen dokumentieren. Eine besondere Stellung unter den Befunden nehmen die für diese Zeitstellung in Basel erstmals dokumentierten Hausgrundrisse ein: Im südlichen Teil der Grabungsfläche zeigten sich im aufplanierten Boden schmale, meist v-förmige Gräbchen, die sich zu Hauseinheiten zusammenfügen. Dabei lassen sich drei Kategorien unterscheiden: Gräbchen, welche die Gebäude umfassen und zur Konstruktion der Aussenwände gehören, parallel dazu verlaufende, die häufig auf eine Pfostengrube zulaufen und Binnenwänden zugeordnet werden können sowie diagonal verlaufende, die als Teil der Fussbodenkonstruktion angesprochen werden.

Aus der Kulturschicht wurden zahlreiche Keramikfragmente geborgen. Drei grosse Töpfe waren in den Boden eingegraben und weitgehend erhalten. Aufgrund ihrer Grösse, den Fundumständen und dem eher schmalen Gefässboden dürfte es sich um Vorratsgefässe handeln. Ausserdem wurden zwei unverzierte, spätbronzezeitliche Nadeln, einige Silexwerkzeuge, einzelne Mondhornfragmente und drei Spinnwirtel entdeckt.

Über die Ausdehnung dieser bronzezeitlichen Siedlung lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt noch wenig sagen: Es scheint, dass die Befunde im Nordwesten der Grabungsfläche (gegen den Kettenackerweg zu) ausdünnen.

Die bronzezeitlichen Schichten werden von einer bis zu 1.20 m mächtigen Lösslehmschicht überdeckt. Zu Grabungsbeginn gingen wir davon aus, dass diese Schicht durch grossflächige Waldrodungen in der Bronzezeit und eine dadurch bedingte massive Erosion der Lösshänge entstanden ist. Überraschenderweise fanden sich nun aber zuunterst in dieser Schicht auch Ziegel und Eisenobjekte aus römischer Zeit. Dies legt aktuell nahe, dass die Ablagerung des Lösses erst deutlich später stattgefunden hat.

Spannend sind die dabei neu entdeckten römischen Fundstücke, die von einer bisher unbekannten römischen Villa in der Nähe stammen könnten. Römische Villen wurden meist in sanfter Hanglage erbaut. Aus Riehen kennt man bisher drei Villen: eine beim Hörnlifriedhof, eine im Hinterengeli und eine beim Artelweg. Zudem gab es noch einen Tempel beim Pfaffenloh und vermutlich auch auf dem Maienbühl. Mehr Infos im Jahrbuch z'Rieche.

Die Ausgrabung birgt aufgrund der gut erhaltenen Befunde, des vielfältigen Fundmaterials und der zahlreich entnommenen Proben ein hervorragendes Potenzial. Diese Fundstelle wird einen wichtigen Beitrag zur Erforschung mittel- und spätbronzezeitlicher Siedlungen erbringen.

Den Artikel aus dem AS 2021/1 zur Inzlingerstrasse finden Sie hier.

Wie lange graben wir?

Die Ausgrabung dauert voraussichtlich bis Februar 2021.

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Basel, 1300 v. Chr.
Scherben datieren die Siedlung
Am Haselrain wurden 2018 zahlreiche Funde geborgen: Hunderte von Gefässfragmenten, wenige Steinwerkzeuge und ein kleines Bronzeobjekt. Anhand dieser Funde kann die Siedlung in die Übergangszeit von der Mittel- zur Spätbronzezeit (ca. 1300 v. Chr.) datiert werden. Foto: Philippe Saurbeck.

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Basel, 1300 v. Chr.
Eine Grube voller Scherben
In einer runden Eintiefung am Haselrain lagen mehrere Schichten aus stark verbrannten Keramikscherben. Darunter befanden sich sowohl Fragmente von grossen, dickwandigen Gefässen als auch dünnwandige Keramikscherbenmit feinen Rillenverzierungen. Foto: Philippe Saurbeck.

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Die Funde vom Haselrain werden zurzeit gereinigt, inventarisiert und konserviert. Foto: Philippe Saurbeck.

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Grabungsübersicht nach Süden. Die im Lössboden teilweise nur sehr schwer erkennbaren Befunde weurden mit Kalkspray markiert. Foto: Adrian Jost.

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Ausschnitt aus dem provisorischen Gesamtplan mit einer vereinfachten Darstellung der Befunde. Plan: Peter von Holzen.

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Zusammenstellung von Keramikfunden aus der mittleren und späten Bronzezeit. Foto: Philippe Saurbeck.