Ein römischer Schreibgriffel

Im Juli 2007 wurde mit dem Ausheben von Werkleitungsgräben über den Münsterhügel begonnen. Die Arbeiten werden baubegleitend von der Archäologischen Bodenforschung überwacht. Dabei kam ein Schreibgerät aus Knochen oder Geweih zum Vorschein. Eiserne Griffel wurden während der ganzen römischen Zeit benutzt, beinerne Exemplare, sog. Stili, sind dagegen typisch für die frührömische Zeit.

Der gedrechselte Stilus aus der Augustinergasse diente einst zum Einritzen von Buchstaben in Wachstäfelchen, die als Urkunden, für Notizen und insbesondere zum Übermitteln von Botschaften dienten. Hölzerne Schreibtafeln haben sich im Boden des Münsterhügels nicht erhalten. An sehr wenigen Orten, z.B. in den Militärlagern von Vindonissa (Windisch/AG) und/oder Vindolanda (beim Hadrianswall in Grossbritannien), erhielten sich mehrere ehemals aufklappbare Holztäfelchen, weshalb man über deren Inhalte Bescheid weiss: Schuldscheine und Soldquittungen, Bestellungen (z.B. von Nagelschuhen), Grüsse an Verwandte, Einladungen zu Geburtstagsfesten und Gastmählern.

Man nimmt an, dass in den römischen Provinzen etwa 10-20% der Bevölkerung Lesen und Schreiben konnten. Nebst den Schreibgriffeln finden sich auch in Basel weitere Hinweise auf schreibkundige Personen. Graffiti auf der Unterseite von Gefässen, seltener auch auf Anhängern eingeritzte Inschriften, dienten wohl dazu, ihre Besitzer zu bezeichnen.

Im Alltag der Kelten scheint der Schriftgebrauch noch kaum eine Rolle gespielt zu haben. Dies änderte sich erst, nachdem die römischen Truppen in den beiden letzten Jahrzehnten vor der Zeitenwende in die Gebiete nördlich der Alpen vordrangen. Der intensive Schriftverkehr bei der römischen Armee und Verwaltung blieb auf die einheimische Bevölkerung nicht ohne Wirkung. Im 3. und 4. Jh. n. Chr. verminderte sich mit dem allmählichen Niedergang des Imperium Romanum auch wieder die Kenntnis des Lesens und Schreibens. Nur die Kirche, ein tragender Pfeiler der spätrömischen Zivilverwaltung, bewahrte nach dem Ende der römischen Herrschaft die Schriftkultur vor dem völligen Erlöschen.

Details

  • Objekt: Schreibgriffel aus Bein oder Geweih
  • Datierung: 1. Jh. n. Chr.
  • Fundort: Augustinergasse

nach oben