Ein bearbeiteter Eichen-Stamm

Bei den Bodeneingriffen an der Rittergasse kam ein rund 700 kg schwerer, zimmermannstechnisch bearbeiteter Eichenbalken zum Vorschein. Die neue, 4 m tiefe Kanalisation kreuzt an dieser Stelle den Graben der spätkeltischen Wehranlage (Murus gallicus, 80 v. Chr.–30/20 v. Chr.). Wie die Holz-Bearbeitungsspuren zeigen, stammt das Konstruktionselement von einem imposanten Bauwerk und gehörte einst möglicherweise zu einer Brücke, oder vielleicht auch zu einem mächtigen Gebäude aus Holz.

Genaue Angaben lassen sich schon jetzt zum Alter dieses einzigartigen Fundes machen. Die Datierung erfolgte mittels der sog. Dendrochronologie. Bei dieser auch als Jahrring-Datierung bezeichneten Methode werden im spezialisierten Dendro-Labor die Jahrring-Breiten eines zu beprobenden Holzes unter einer Stereolupe gemessen und die Daten per Computer zu einer Kurve umgerechnet. Die Methode macht sich zunutze, dass der jährliche Zuwachs eines Baumes – der Jahrring – sichtbar ist, weil sich zu Beginn und am Ende der einzelnen Wachstumsperioden andere Zellen bilden. Die Anzahl der Jahrringe ergibt das Alter des Baumes. Die Breite eines Jahrrings ist eine Art Klima-Archiv: In guten Jahren ist das Wachstum grösser und der Jahrring wird breiter als bei ungünstigen Witterungsverhältnissen. Diese bestimmte Klima-Abfolge von für den Baum guten, mittelmässigen oder schlechten Jahren ist, wenn man sie über einige Jahrzehnte betrachtet, statistisch gesehen in den vergangenen Jahrtausenden nicht zweimal in gleicher Art und Weise möglich, sondern für jeden Zeitraum spezifisch. Ausgehend von Bäumen der Neuzeit wurden die Wachstumskurven von vielen tausend Holzfunden zur durchgehenden Standardkurve, dem sog. Jahrringkalender zusammengesetzt. Dazu mussten sich die Kurven der einzelnen Hölzer an den Nahtstellen genügend überlappen. Die Standardkurve für Eichen reicht heute bis ins 9. Jahrtausend v. Chr. zurück. Mit Hilfe des Computers wird die Wachstumskurve des zu datierenden Holzes mit der Standardkurve verglichen. Verläuft eine Wachstumskurve gleich wie ein Bereich der Standardkurve, so ist das Holz datiert. Die Untersuchung des Eichen-Stammes von der Rittergasse ergab, dass der Baum in den Jahren um 1075 n. Chr. geschlagen wurde. Die Erhaltungsbedingungen für archäologische Funde sind an der Rittergasse überraschenderweise ausserordentlich gut. Dies lässt auf weitere – möglicherweise noch ältere – Hölzer hoffen. Die Verfüllung des Kelten-Grabens enthält Ablagerungen, die ein sehr feuchtes Milieu gewährleisten. Die Feuchtigkeit begünstigt die Erhaltung von organischem Material, wie Holz, Leder, Textilien und Pflanzen. Solche Erhaltungsbedingungen sind in Basel ungewöhnlich. Organische Materialien stellen für die Archäologie eine seltene und überaus aufschlussreiche Quellengattung dar.

Details

  • Objekt: Bearbeiteter Eichen-Stamm
  • Datierung: 1075 n. Chr. (dendro-datiert)
  • Fundort: Rittergasse
Zoom

Aufbau eines Jahrringkalenders

Grafik: Labor für Dendrochronologie, Amt für Städtebau, Stadt Zürich.

Zoom

Der bearbeitete Eichen-Stamm ist auf einer Länge von 230 cm erhalten.

nach oben