Archäologische Blicke unter die Freie Strasse

Freie Strasse / Marktplatz, Juni 2022

Warum graben wir?

In den Jahren 2020 bis 2024 werden in der Freien Strasse und deren Seitengassen verschiedene Werkleitungen für Trink- und Abwasser, Elektrizität sowie Telekom saniert und auch ein neues Trassee für die Fernheizung gebaut. Die umfangreichen Werkleitungsbauten finden in einer archäologisch sensiblen und bisher weitgehend unerforschten Zone statt. Insbesondere die neuen Abschnitte der Fernwärme und Teile der Kanalisation werden tief in bisher unberührte Bereiche verlegt.

Was graben wir aus?

Von alten Plänen wissen wir, dass die Freie Strasse und ihre Seitengassen vor 1900 viel enger waren. In der heutigen Strasse sind daher Mauern der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Bebauung zu erwarten. Zu erwähnen ist insbesondere das sogenannte «Spital an den Schwellen» zwischen Streitgasse und Barfüssergasse, das urkundlich seit den 1260er Jahren belegt ist und 1843/44 abgerissen wurde. Das Spital war für Bedürftige aller Art und mittellose Kranke gedacht.

Im vorderen, an der Freien Strasse liegenden Teil des Spitals befanden sich eine Heilanstalt, das Pfrundhaus («Altenheim»), Zimmer für die Verwaltung sowie eine Gebärabteilung und ein Betsaal. In der Zeit nach der Reformation diente der Kreuzgarten des nahen Barfüsserklosters als Spitalfriedhof. Mit dem Bau des Bürgerspitals 1842 an der Hebelstrasse (beim heutigen Universitätsspital) konnte das den modernen Bedürfnissen des Gesundheitswesens längst nicht mehr entsprechende Spital hinter der Barfüsserkirche ersetzt werden.

Frühere Ausgrabungen in der Umgebung haben zudem gezeigt, dass in der Freien Strasse auch mit älteren Befunden wie etwa einer römerzeitlichen Strasse gerechnet werden muss.

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Bei den aktuellen Untersuchungen dokumentierte das Team der Archäologischen Bodenforschung weitere Reste der Häuser, die wohl beim Quartierbrand im Jahr 1377 zerstört wurden. Foto: Philippe Saurbeck, Archäologische Bodenforschung Basel-Stadt.

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Ausschnitt aus dem Merianplan aus der Zeit zwischen 1615 und 1622. In Violett der Kornmarkt/Marktplatz, der nach dem Quartierbrand von 1377 ein erstes Mal erweitert worden ist. Das Hauptgebäude des Rathauses, das heute immer noch steht, dient als Orientierungshilfe.

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Bei Ausgrabungen im südlichen Bereich kommt immer wieder Brand- und Abbruchschutt mit Funden aus der Zeit vor 1377 zum Vorschein.

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Der Marktplatz wurde seit dem Mittelalter in zwei Etappen erweitert. Bis 1377 gab es den sogenannten «Kornmarkt» (A). 1377 brannten mehrere Häuser ab und der Platz wurde um diesen Bereich (B) vergrössert. In den 1880er Jahren wurde ein weiteres Viertel abgebrochen (C).

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Blick auf das Haus zum Pfaueneck, das mitsamt dem dahinterliegenden Viertel der zweiten Vergrösserung des Marktplatzes zum Opfer fiel. Rechts im Bild befindet sich das Rathaus. Foto: StaBS AL 45, 2-17-2.

Der Marktplatz im Mittelalter

Der heutige Marktplatz ist für einen mittelalterlichen Platz viel zu gross. Durch seine Dimensionen, das einheitliche Pflaster und die Bauten an den Schmalseiten gibt er sich als Werk des 19. Jahrhunderts zu erkennen. Im Mittelalter wies der Marktplatz nur einen Viertel der heutigen Grösse auf und war unter dem Namen «Kornmarkt» bekannt.

Am 26. Februar 1377 zerstörte ein Brand am Kornmarkt eine Häuserzeile mit zwölf Liegenschaften, die sich am Südende zwischen dem damals noch offenen Birsig und der unteren Freien Strasse befanden. Der Rat beschloss, die Parzellen aufzukaufen, um den Kornmarkt zu vergrössern. In der Folge liess er die Gebäuderuinen niederreissen. Vermutlich wurde damals auch der Birsig überwölbt, der heute diagonal unter dem Platz hindurchfliesst.

Bei Ausgrabungen im südlichen Bereich kommt immer wieder Brand- und Abbruchschutt mit Funden aus der Zeit vor 1377 zum Vorschein. Besonders interessant war  2006 die Entdeckung eines stattlichen Kellers mit Resten einer Sandsteinsäule und 2019 die Freilegung eines Tonplattenbodens.

Bis gegen Ende des 19. Jahrhunderts behielt der Marktplatz die spätmittelalterliche Grösse bei. Der Platz war damals noch nicht so eben wie heute, von Osten nach Westen fiel das Gelände um mehrere Meter ab. In der Folge der städtischen Expansion des 19. Jahrhunderts wurde auf die über Jahrhunderte gewachsene Bebauung Basels keine Rücksicht mehr genommen. Damals erweiterte man auch den Marktplatz grossflächig, indem man ein ganzes Viertel abbrach, das sich einst auf der Nordhälfte des heutigen Platzes befand.

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Freilegung einer spätmittelalterlichen Grabplatte mit Inschrift und roten Farbresten. Die Grabplatte wurde in sekundärer Verwendung im Fundament eines Brunnens verbaut.

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Teil einer Grabplatte mit Inschrift und roten Farbresten. Die Inschrift ist leider nur noch in Fragmenten erhalten:
(…) und er war/
(…) auferstanden/
(…) fromm/
(…)/
Die spätmittelalterlich-frühneuzeitliche Grabplatte wurde in sekundärer Verwendung im Fundament eines Brunnens verbaut.

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Grabungsplan Freie Strasse mit den Befunden. Plan: Peter von Holzen

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Die Überreste eines Tonplattenbodens vom «Spital an den Schwellen».

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Die Überreste der Mauer und des Tonplattenbodens gehören vermutlich zum «Spital an den Schwellen».

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Eines der neu entdeckten Skelette. Das aufgedeckte Skelett, dessen unterer Teil durch einen modernen Graben bereits zerstört worden ist, gehört vermutlich zu einem Insassen des «Spitals an den Schwellen».

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Ansicht des «Spitals an den Schwellen» auf dem Merianplan von 1615.

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Grundriss des 1843/44 abgerissenen «Spitals an den Schwellen» sowie die heutige Situation und die Grabungsflächen.

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Überreste einer wahrscheinlich frühmittelalterlichen Feuerstelle, die mit Steinen (Grün markiert) eingefasst ist.

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Zwei Obststeine, die bei der Feuerstelle zum Vorschein kamen.

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Die Originallage der unterhalb der Feuerstelle entdeckten römischen Münze.

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Eine der vielen Strassenphasen, die von der römischen Zeit bis ins 12 Jahrhundert n. Chr. reichen.

Resultate der archäologischen Untersuchungen im Jahr 2020

Erwartungsgemäss stiess man in der ersten Bauetappe (August bis November 2020) immer wieder auf Keller- und Gebäudemauern aus dem Mittelalter und der frühen Neuzeit. Vom «Spital an den Schwellen» wurden sowohl in der Freien Strasse als auch in der Barfüssergasse Mauern sowie ein Stück Tonplattenboden freigelegt. Diese archäologischen Befunde lassen sich gut mit dem aus dem Merianplan bekannten Grundrissen in Übereinstimmung bringen. Eher überraschend waren zwei Bestattungen, bei denen es sich vermutlich um verstorbene Insassen des Spitals handelt.

In einem der Leitungsgräben wurde eine Feuerstelle angeschnitten, die wahrscheinlich ins Frühmittelalter datiert. In Erdschichten unterhalb der Feuerstelle kam eine – noch nicht näher bestimmte – römische Münze zum Vorschein. Mit deren Hilfe sollte die Feuerstelle genauer datiert werden können. Die in und um die Feuerstelle gefundenen Knochen weisen teilweise Schnittspuren auf. Das passt zur Verarbeitung von Fleisch und deutet zusammen mit Resten von Obststeinen auf eine Benutzung des Ortes als Kochstelle hin.

Zudem entdeckte man in einem weiteren Leitungsgraben die Überreste einer mehrphasigen Strasse, die von der römischen Zeit bis ins 12. Jahrhundert n. Chr. benutzt wurde. Insgesamt neun Mal hatte man die Strasse, immer wenn sie nicht mehr repariert werden konnte, komplett erneuert – ähnlich wie bei einer heutigen Strasse, bei der die beschädigte alte Asphaltschicht mit einer neuen überdeckt wird.

Zusammenfassung der wichtigsten Erkenntnisse zu der römischen Strasse.

Die aktuelle Medienmitteilung vom 16. Juni 2022

Erfahren Sie mehr über die Funde, die bei der Ausgrabung zum Vorschein gekommen sind. 

Zur aktuellen Medienmitteilung

Wie lange graben wir?

Die Arbeiten dauern voraussichtlich bis 2024 und finden in mehreren Etappen statt.

Literatur

Archäologische Bodenforschung des Kantons Basel-Stadt (Hg.):
1000 Jahre Basler Geschichte. Archäologie unter dem Musiksaal des Stadtcasino Basel, Basel 2020.

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